Sexuelle Gewalt ist jede sexuelle Handlung, die an Mädchen und Jungen gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Bei unter 14-Jährigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie sexuellen Handlungen nicht zustimmen können – sie sind immer als sexuelle Gewalt zu werten, selbst wenn ein Kind damit einverstanden wäre.

Die Handlungen, die als sexuelle Gewalt bezeichnet werden, weisen eine große Bandbreite auf: Sexuelle Übergriffe reichen von verbalen Belästigungen, über voyeuristisches Betrachten des kindlichen Körpers bis zu (nur scheinbar unabsichtlichen) flüchtigen Berührungen von Brust oder Genitalbereich. Missbrauchs- handlungen umfassen sexuelle Handlungen am Körper des Kindes (hands-on) wie zum Beispiel Zungenküsse oder Manipulationen der Genitalien sowie schwere Formen sexueller Gewalt wie orale, vaginale und anale Penetration. Missbrauchshandlungen, bei denen der Körper des Kindes nicht berührt wird (hands-off), sind beispielsweise exhibitionistische Handlungen und Masturbation vor dem Kind, aber auch das gezielte Zeigen pornografischer Abbildungen. Dazu gehört auch, ein Kind dazu aufzufordern, sexuelle Handlungen an sich – auch vor der Webcam – vorzunehmen. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche findet nicht aus Versehen oder aufgrund von Gelegenheiten statt. Mit mehr oder weniger bewusst reflektierten Strategien manipulieren Täter*innen häufig sowohl das Opfer als auch sein schützendes Umfeld.

Kinder und Jugendliche sind sogenannten Interaktionsrisiken im Netz verstärkt ausgesetzt. Dazu gehören Cybergrooming (Anbahnung sexueller Gewalt im Internet), missbräuchliches Sexting (ungewollte Verbreitung von Filmen oder Fotos mit selbstgefertigten sexuellen Darstellungen von sich) oder die ungewollte Konfrontation mit Pornografie. Ein erhebliches Risiko stellen sexuelle Übergriffe durch andere Kinder oder Jugendliche dar. Hierzu zählen auch Grenzverletzungen und sexuelle Gewalt mittels digitaler Medien.

Welche Spuren sexuelle Gewalt hinterlässt, hängt von vielen Faktoren ab. Die Folgen sind umso schwerer, je intensiver die Tat war, je häufiger sie geschehen ist, je länger der Tatzeitraum war, je vertrauter der*die Täter*in dem Kind ist, je länger es mit der Erfahrung allein bleibt ohne Hilfe zu finden, je mehr an seiner Glaubwürdigkeit gezweifelt wird und je weniger Trost und Zuwendung es erhält. Umgekehrt bedeutet das, dass frühe Hilfe und zugewandte, einfühlsame Reaktionen der Familie und des sozialen Umfelds erhebliche Auswirkungen darauf haben, wie gut ein betroffenes Kind diese Erfahrung verarbeiten kann.

Hellfeld und Dunkelfeld

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet für das Jahr 2018 in Deutschland über 12.000 der Polizei bekannt gewordene Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs (§§ 176, 176a, 176b StGB). Die Anzeigen beziehen sich zu etwa 75 % auf betroffene Mädchen und zu 25 % auf betroffene Jungen. Hinzu kommen Anzeigen von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Jugendlichen sowie über 9.000 Fälle sogenannter Kinder- und Jugendpornografie. Bei diesen Zahlen handelt es sich um das sogenannte Hellfeld. Das Dunkelfeld, die Zahl der nicht polizeilich bekannten Fälle, ist weitaus größer.

Dunkelfeldforschungen aus den vergangenen Jahren haben ergeben, dass jede*r Siebte bis Achte Erwachsene in Deutschland sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten hat. Es ist davon auszugehen, dass etwa ein bis zwei Schüler*innen in jeder Schulklasse von sexueller Gewalt betroffenen waren/sind.

Stand: Januar 2020